Verfestigte Körpermetaphern und -metonymien in Idiomen mit der Nominalkonstituente Hand

Résumés

This article deals with german idioms which contain the body part constituent Hand. A particular characteristic of this body-based constituent is his high level of productivity in german figurative units. Hand-idioms encode different types of knowledge and preserve especially culture based knowledge of this body part as image traces. The following questions are central in this study: How far is the lexicalised figurative meaning of a Hand-idiom motivated by the literal, image-based meaning. Which types of knowledge are involved in the motivating links between the two conceptual levels of german Hand-idioms. The cognitive approach seems to provide an appropriate theoretical basis to describe the interaction of the different conceptual levels because it takes into consideration knowledge structures underlying them.

Als « prototypischer Hort des „kulturelles Gedächtnisses“ » (Földes 2003 : 324) ermöglichen Idiome einen gewissen Einblick in den Wahrnehmungs- und Erfahrungsbereich einer Sprachgemeinschaft. Eine Schlüsselrolle kommt hierbei dem durch den Konstituentenbestand evozierten mentalen Bild zu, welches in die lexikalisierte Idiombedeutung hineinwirken kann. Vor dem Hintergrund einer kognitiv ausgerichteten Begriffsdefinition von Motiviertheit wird am Beispiel von Idiomen, deren Konstituentenbestand die Körperteilbezeichnung Hand aufweist, gezeigt, welchen Anteil die bildliche Bedeutungskomponente an der Bildung der lexikalisierten Idiombedeutung hat. Ein besonderes Interesse gilt ebenfalls den unterschiedlichen Wissenstypen, die zur Beschreibung der konzeptuellen Verbindungen herangezogen werden müssen.

Plan

Texte

1. Einleitung

Ausgangspunkt des Beitrages ist die Annahme, dass sich in Idiomen die Beziehung zwischen Körpererfahrung, Kognition und Bedeutung sehr anschaulich widerspiegelt. Der Grund dafür liegt sicherlich darin, dass sich in einer Vielzahl von Idiomen Körpererfahrungen in Form von Metaphern und Metonymien verfestigt haben. Das diesem Beitrag zugrundeliegende Belegmaterial setzt sich also aus denjenigen Idiomen zusammen, deren Konstituentenbestand mindestens eine Körperteilbezeichnung aufweist. Unter einem Idiom wird eine aus mehr als einen Konstituenten bestehende, relativ feste, sprachliche Einheit verstanden, deren Bedeutungsinhalt aus zwei Makrokomponenten besteht : aus einer figurativen und lexikalisierten Bedeutung sowie aus einem mentalen Bild, das durch die lexikalische Struktur in der nichtfigurativen Lesart hervorgerufen wird. Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass zwischen beiden Ebenen konzeptuelle Verbindungen bestehen. Empirische Untersuchungen zur Produktivität von Phrasemkonstituenten ermittelten für körperteilbezeichnende Nominalkonstituenten eine besonders hohe phraseologische Gebundenheit : 17 der 50 produktivsten Nominalkonstituenten bezeichnen menschliche Körperteile, wie Hand, Kopf, Herz, Auge, Fuß, Ohr, Hals, Bein, Mund, Nase, Finger, Zunge, Leib, Gesicht, Blut, Haar und Zahn. So ist allein die produktivste Nominalkonstituente Hand an der Bildung von über 20 % der Phraseme beteiligt (Hegedüs-Lambert 1996 : 286). Die hohe phraseologische Verfügbarkeit dieser Konstituenten führt zu der Frage nach der Funktion von Körperteilbezeichnungen in Idiomen. Welche konzeptuellen Verbindungen bestehen zwischen der figurativen Idiombedeutung und dem durch die körperteilbezeichnenden Nominalkonstituenten evozierten mentalen Bild ? Welchen Anteil haben Körperteilbezeichnungen an der Bildung der figurativen Bedeutung ? Auf welche Wissenstypen muss bei der Interpretation der konzeptuellen Verbindungen zurückgegriffen werden ? Diese Fragen sollen in der vorliegenden Arbeit exemplarisch an Idiomen mit der körperteilbezeichnenden Konstituente Hand untersucht werden. Das zugrunde liegende Belegmaterial umfasst ungefähr 200 Einträge des Duden Bandes 11 (2008). Da die Aufdeckung konzeptueller Verbindungen zwischen den Bedeutungsebenen eine gewisse semantische Autonomie der Idiomkonstituenten voraussetzt, befasst sich der erste Teil der Arbeit mit dem semantischen Status der Konstituenten. Dieser Punkt erscheint wesentlich, weil die figurative Bedeutung oftmals als eine Aufhebung der wörtlichen Bedeutung zugunsten einer Gesamtbedeutung verstanden wird, was im scheinbaren Widerspruch zu möglichen konzeptuellen Verbindungen steht. Im Mittelpunkt des zweiten Teils steht dann die Beschreibung der für die Idiomsemantik relevanten Motivationstypen und den ihnen zugrunde liegenden Wissenstypen. Dabei werden wir auf kognitive Beschreibungsansätze zurückgreifen, insbesondere auf die Kognitive Metapherntheorie und die Frametheorie.

2. Idiom und die semantische Autonomie seiner Konstituenten

In der Phraseologieforschung ist allgemein anerkannt, dass Phrasem den Oberbegriff für alle festen Wortverbindungen bildet, die aus mindestens zwei Konstituenten bestehen, als Ganzes wahrgenommen werden und als solches fester Bestandteil des Sprachsystems sind. Die Mehrzahl der Phraseme mit Körperteilbezeichnungen sind Idiome. Unter Idiom wird jene Teilmenge der Phraseme verstanden, die Mehrgliedrigkeit, Festigkeit, Reproduzierbarkeit und Idiomatizität gleichzeitig bestätigen.

Idiome sind Mehrworteinheiten, denen eine formale Kohäsion eine mehr oder weniger restriktive Festigkeit verleiht. Reproduzierbarkeit bedeutet, dass trotz mehrerer Konstituenten Idiome wie jmdn., etw. in der Hand haben – ‘jmdn., etw. in der Gewalt haben’ oder die Hand/Hände nach jmdm./etw. ausstrecken – ‘jmdn. etw. in seinen Besitz, in seine Gewalt bringen wollen’ als kognitive Einheiten ähnlich einem Ein-Wort-Lexem im Lexikon gespeichert sind. Daher müssen sie bei der Produktion nicht immer neu gebildet werden, sondern können in Form von Konzepten wie z. B. [macht] als kognitive Ganzheiten abgerufen werden. Formale Festigkeit und die damit einhergehende Reproduzierbarkeit führen dazu, dass ein bestimmter kognitiver Inhalt sich im Phrasemsystem festigen kann und durch das Phrasemsystem zugänglich wird. Idiome haben somit eine Existenzform als vorgefertigte sprachliche Einheiten, die einen gewissen Einblick in den Wahrnehmungs-und Erfahrungsbereich einer bestimmten Sprachgemeinschaft ermöglichen.

Idiomatizität als Korollar von Mehrgliedrigkeit und relativer Festigkeit ermöglicht je nach gradueller Ausprägung zwei Lesarten von Idiomen : eine figurative, lexikalisierte Lesart, die wie bei Ein-Wort-Lexemen von den Teilnehmern einer Sprachgemeinschaft erlernt werden muss, und eine wörtliche Lesart, d.h. das mentale Bild, das durch die wörtliche Interpretation der lexikalischen Struktur hervorgerufen wird. Besteht nun im semantischen Sinne eine Differenz zwischen der figurativen Lesart und der wörtlichen Lesart, wie zum Beispiel bei den Idiomen die Hand auf die/der Tasche halten – ‘geizig sein’, jmdm. die Hände schmieren – ‘jmdn. bestechen’ und Hand und Fuß haben – ‘gut durchdacht sein’, dann ist ein Phrasem idiomatisch. Idiomatizität ist eine graduierbare Eigenschaft von Mehrworteinheiten. Je höher die Differenz zwischen den Bedeutungsebenen, desto stärker der Idiomatizitätsgrad. Idiome können demnach voll -oder teilidiomatisch sein, wobei der Übergang meist fließend ist.

In der nicht-kognitiv ausgerichteten Phraseologieforschung bildet Idiomatizität häufig einen Gegenbegriff zur Motiviertheit. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass mit dem Grad der Idiomatizität die Motiviertheit des Phrasems abnimmt. Idiomen, die durch einen hohen Idiomatizitätsgrad gekennzeichnet sind, wird ein niedriger Motiviertheitsgrad zuerkannt. Vollidiomatische Idiome haben in diesem Fall den Status nicht motivierter Phraseme, dh. ihre figurative Bedeutung kann diesem Ansatz zufolge nicht aus der lexikalischen Bedeutung der Idiomkonstituenten erschlossen werden. Neuere Studien aus der Neurolinguistik (Berghoff 2005) und das in der nicht-kognitiv ausgerichteten Phraseologieforschung formulierte Postulat einer gewissen semantischen Autonomie der Idiomkonstituenten deuten jedoch auf Schnittstellen zwischen beiden Bedeutungsebenen hin.

In semantischer Hinsicht unterscheiden sich Idiome von Phrasemen durch das Vorhandensein einer gewissen Idiomatizität. Auch wenn die Relevanz der Non-Kompositionalität der Idiom-Bedeutung nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden kann, so muss sie relativiert werden. Dieser „nichtkompositionellen“ Idiomatik-Konzeption zufolge spielen Idiomkonstituenten als selbstständige semantische Einheiten keine Rolle, da Idiome selbst als long words gespeichert und verarbeitet werden. Die Annahme einer ausschließlich ganzheitlichen Verarbeitung wird durch neuere Studien aus der Neurolinguistik widerlegt. Ergebnisse neurolinguistischer Studien zur kognitiven Verarbeitung von Idiomen geben Hinweise darauf, dass die figurative Bedeutung erst aufgrund eines Schlüsselwortes, das nach der wörtlichen Verarbeitung eines Teils des Satzes auftritt, verarbeitet wird. Der Abruf der figurativen Bedeutung erfolgt nicht parallel sondern sequenziell, da er erst nach der wörtlichen Verarbeitung einer Portion des Satzes eintritt (Berghoff 2005 : 158-159). Die Ergebnisse sprechen neben einer ganzheitlichen Verarbeitung für einen zusätzlichen, kompositionellen Verarbeitungsprozess, bei dem dem Schlüsselwort eine Brückenfunktion zwischen Idiomkonstituenten und Gesamtbedeutung zukommt.

Der kompositionelle Ansatz führt zu einer Aufwertung des semantischen Status der Idiomkonstituenten, da ihnen ein gewisses Maß an semantischer Autonomie zuerkannt wird. Dafür spricht insbesondere das Vorhandensein bestimmter Idiomkonstituenten, bei denen die wendungsinterne Bedeutung ihrer wendungsexternen Bedeutung entspricht oder ähnelt.

(1)

einen Trumpf aus der Hand geben - ‘sich eines Vorteils, aller Vorteile begeben’

keinen Trumpf mehr in der Hand haben – ‘keinen Vorteil haben’

einen Trumpf in der Hand haben – ‘einen Vorteil für sich haben’

jmdm. die Trümpfe aus den Händen nehmen – ‘jmds. Vorteil zunichte machen’

In (1) hat die Nominalkonstituente Trumpf auch außerhalb der Phraseme die Bedeutung ‘Vorteil’. Die wendungsinterne Bedeutung der Konstituente Hand ist der wendungsexternen Bedeutung insofern ähnlich, dass auf die Funktion der Hand als Greiforgan angespielt wird.

Die Beispiele (1) zeigen, dass Idiomkonstituenten Träger selbständiger Bedeutungen sein können und die betreffenden Idiome daher semantisch teilbar sind. Semantische Teilbarkeit ist ein graduierbares Phänomen, das sich von der absoluten Unmöglichkeit Idiome zu teilen bis hin zu einer Zerlegbarkeit in einzelne Konstituentengruppen bzw. Konstituenten erstreckt. Um eine völlig unteilbare Konstituentengruppe handelt es sich zum Beispiel bei Händen und Füßen mit der Bedeutung ‘heftig’ :

mit Händen und Füßen reden ‘heftig gestikulierend reden’

sich mit Händen und Füßen [gegen jmdn., etw.] sträuben ‘sich sehr heftig [gegen jmdn., etw.] wehren’

Eine besondere Ausprägung der semantischen Autonomie von Idiom-Konstituenten ist ihre phraseologisch gebundene Bedeutung, d.h. eine bestimmte Bedeutung wird nur im Konstituentenbestand der Phraseme realisiert (Dobrovol’skij 1982 : 67).

(2)

jmdn., etw. in der Hand haben – ‘jmdn., etw. in der Gewalt haben’

in jmds. Hand/Händen sein – ‘in jmds. Gewalt, Besitz sein’

die Hand/Hände nach jmdm./etw. ausstrecken – ‘jmdn. etw. in seinen Besitz, in seine Gewalt bringen wollen’

jmdm. in die Hände fallen - ‘1. in jmds. Gewalt, Besitz kommen 2. in jmds. Gewalt geraten’

Die Bedeutung ‘Besitz’ bzw. ‘Macht’ kann dem Lexem Hand im wendungsexternen Gebrauch nicht zugewiesen werden. Sie wird nur wendungsintern realisiert. Es ist aber möglich den Konstituenten diese Bedeutung über die Gesamtbedeutung zuzuordnen. Da es sich um eine mittelbare, primär nicht in den Lesarten von Hand enthaltene Bedeutung handelt, die auf eine abstraktes Konzept, nämlich [macht] verweist, kann Hand in diesem Kontext auch als Sprachsymbol aufgefasst werden.

Die Annahme einer sequenziellen Verarbeitung von Idiomen und das Vorhandensein einer mehr oder weniger ausgeprägten semantischen Autonomie für Idiom-Konstituenten verleiht der wörtlichen Bedeutungskomponente eine zentrale Funktion. Idiomatizität geht also nicht zwingend mit der Aufhebung der wörtlichen Bedeutungskomponente von Idiomkonstituenten einher. Die Beispiele (1) und (2) bestätigen die Beteiligung der wörtlichen Komponentenbedeutung an der Gesamtbedeutung. Sie zeigen, dass Idiomatizität und Motiviertheit kein Gegensatzpaar bilden. Ein hoher Idiomatizitätsgrad schließt Motiviertheit nicht bindend aus, wenn Motiviertheit in Anlehnung an Burger (2007 : 69) im Sinne von „Verstehbarkeit“ definiert wird. Laut Burger (2007 : 70) sind metaphorische Idiome als motiviert zu betrachten, da die lexikalisierte Phrasembedeutung durch das Vorhandensein einer semantischen Basis, welche durch die wörtliche Bedeutung der ganzen Wortverbindung oder eines Phrasemkonstituenten gebildet wird, in vielen Fällen nachvollziehbar bzw. verstehbar wird. Für Burger handelt sich jedoch nicht um eine zwingende Ableitbarkeit der lexikalisierten aus der wörtlichen Bedeutung. Verstehbarkeit eines Idioms setzt vielmehr die Kenntnis der lexikalisierten Bedeutung voraus, denn die assoziative Verbindung zwischen den beiden Bedeutungsebenen kann nur über die bereits bekannte figurative Idiombedeutung hergestellt werden. Für diese Annahme spricht das Vorhandensein einer phraseologisch gebundenen Bedeutung, wie zum Beispiel ‘Besitz’ bzw. ‘Macht’ der Hand-Konstituente in (2). Sie kann der Idiomkonstituente Hand erst über die Gesamtbedeutung zugeordnet werden.

Da die durch die innere Form des Idioms evozierte Bildkomponente zwischen den beiden Bedeutungsebenen vermittelt, kommt ihr bei der Bildung der lexikalisierten Lesart eine Schlüsselrolle zu. Auch Dobrovol’skij/Piirainen (2009 : 12) gehen davon aus, dass das «das im „Wörtlichen“» fixierte mentale Bild, der figurierten Bedeutung zugrunde liegt, bzw. in die lexikalisierte Idiombedeutung hineinwirken kann.

Die prototypischen Idiome verfügen (ebenso wie andere Elemente der figurativen Sprache) über eine zusätzliche konzeptuelle Ebene – die Ebene der mentalen Bilder, deren Elemente in Form von bildlichen Bedeutungskomponenten als „kognitive Spuren“ an der Ausprägung der Idiom-Bedeutung beteiligt sein und bis zu einem gewissen Grad in die lexikalisierte Idiombedeutung hineinspielen und das diskursive Verhalten, die pragmatischen Besonderheiten und transformationellen syntaktischen Restriktionen mitbestimmen. (Dobrovol’skij/Piirainen 2009 : 15)

Ein besonderes Anliegen der vorliegenden Arbeit liegt im Aufspüren dieser «kognitiven Spuren» des mentalen Bildes in der Idiombedeutung. Als Grundlage dienen Idiome mit der Nominalkonstituente Hand. Es gilt herauszufinden, in welchem Verhältnis die bildliche Bedeutungskomponente zur lexikalisierten Idiombedeutung steht bzw. welche Funktion der Körperteilbezeichnung Hand in Phrasemen zukommt.

Die Komplexität der Idiom-Bedeutung spiegelt sich wider im Zusammenspiel zwischen lexikalisierter Idiom-Bedeutung in Form von Bedeutungserklärungen in Wörterbüchern und ihrer Bildhaftigkeit, die aufgrund ihrer Anschaulichkeit zum Nachvollzug einlädt. Das durch die lexikalische Struktur evozierte mentale Bild bildet sowohl den Ausgangspunkt als auch die konzeptuelle Grundlage der semantischen Reinterpretation. Bei vielen Idiomen unseres Korpus finden sich Schnittstellen zwischen beiden konzeptuellen Ebenen. Dieses Verhältnis zwischen lexikalisierter Lesart und zugrunde liegendem Bild, das durch den Konstituentenbestand evoziert wird, soll im Weiteren Gegenstand der Untersuchungen sein. Als Erklärungsansatz dienen verschiedene Typen semantischer Motiviertheit, welche die Mehrzahl der Idiome mit körperteilbezeichnenden Konstituenten kennzeichnen.

3. Arten semantischer Motiviertheit von Hand-Idiomen

Unter semantischen Motiviertheit1 von Idiomen verstehen wir mit Dobrovol’skij/Piirainen (2009 : 17, siehe auch 2005 : 90ff) « die intuitiv nachvollziehbare Zuordnung der Form (der lexikalischen Struktur) eines Idioms zu seiner lexikalisierten Bedeutung (seiner konzeptuellen Repräsentation im Lexikon) ». Zwischen der lexikalisierten Bedeutung und der Bedeutung des zugrundeliegenden Bildes wird die Existenz motivierender Verbindungen angenommen. Die semantische Motiviertheit ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Wissensstrukturen der beiden konzeptuellen Ebenen, an der die lexikalisierte Bedeutung in Form eines Zielkonzepts und die Bildkomponente in Form eines Quellkonzepts beteiligt ist. Die Verbindungen zwischen den beiden konzeptuellen Strukturen sind, da nicht regelgeleitet, weit gehend nicht vorhersagbar, so dass nur rückblickend erklärt werden kann, welchen Anteil die Phrasemkonstituenten an der Bildung der lexikalisierten Bedeutung hatten. Im folgenden Abschnitt soll nun geklärt werden, welche Wissensstrukturen herangezogen werden müssen, um die motivierenden Verbindungen in Hand-Phrasemen verstehbar zu machen.

3.1 Motivationsquellen : zwischen Körper, Alltag und Kultur

Die Art der motivierenden Verbindungen zwischen den konzeptuellen Ebenen ist vielfältig. Obwohl die bildliche Bedeutungskomponente der im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Hand-Phraseme Bewegungen, Handlungen und Gesten, die mit der Hand ausgeführt werden, evoziert, wird bei der Beschreibung der motivierenden Verbindungen nur bedingt auf körpergebundenes Wissen zurückgegriffen. Die Phraseme keine Hand rühren – ‘jmdm. nicht helfen, nicht beispringen, obwohl man sieht, dass er sich abmühen o. Ä. muss’ und die Hände in den Schoß legen – ‘nichts tun, untätig sein’ gehören zu den wenigen Belegen, die sich unmittelbar auf Körperwissen stützen. Die Bildkomponente hat hier einen direkten Bezug zu unserer alltäglichen, körperbezogenen Erfahrung mit dem Körperteil Hand. Mit der Hand verfügt der Mensch als „Handelnder“ über ein Werkzeug der grundlegenden menschlichen Tätigkeiten wie halten, greifen, nehmen, drohen usw. Aus unserer unmittelbaren Erfahrung mit diesem Halte- bzw. Greifwerkzeug wissen wir, dass eine sich nicht bewegende Hand mit Untätigkeit verbunden ist. Ähnlich verhält es sich mit Phrasemen, deren lexikalische Bedeutung unterschiedliche Tätigkeitsformen benennen, die den Funktionen der Hand zugeordnet werden können. Vor diesem Hintergrund sind Handlungsformen des Greifens, Helfens und Schlagens zu nennen :

etw. zur Hand nehmen – ‘etw. ergreifen’

jmdm. zur Hand gehen – ‘jmdm. bei einer Arbeit durch Handreichungen helfen’

die Hand gegen jmdn. erheben – ‘jmdn. bedrohen, schlagen wollen’

In den Phrasemen wie keine Hand rühren – ‘jmdm. nicht helfen, nicht beispringen, obwohl man sieht, dass er sich abmühen o. Ä. muss’, die Hände in den Schoß legen – ‘nichts tun, untätig sein’ und jmdm. sind die Hände gebunden – ‘jmd. kann nicht so handeln, entscheiden wie er möchte, weil er durch bestimmte äußere Umstände in seiner Handlungs-, Entscheidungsfreiheit eingeengt wird’ ist die figurative Bedeutung ‘Untätigkeit’ darüber hinaus über eine Ursache-Folge-Beziehung nachvollziehbar. Die Unmöglichkeit zu handeln ist hier Folge des im „Wörtlichen“ fixierten mentalen Bildes. Da die Hände nicht bewegt werden bzw. nicht frei sind, kann nicht gehandelt werden. Es ist zu bemerken, dass die in den Phrasemen keine Hand rühren und die Hände in den Schoß legen vorliegende metonymische Motiviertheit nur über die lexikalisierte Idiombedeutung hergestellt werden kann. Das bedeutet, dass in der bildlichen Bedeutungskomponente als solcher das Nicht-Handeln keineswegs enthalten ist. Das mentale Bild der starren Finger könnte ebenso Ausdruck von Angst sein. Das Bild der im Schoß liegenden Hände wäre in Anlehnung an eine Yoga-Stellung ebenfalls in den Begriffsfeldern [völlige entspannung] bzw. [selbstbeherrschung] denkbar. Ursprünglich körperbasierte Erfahrungen wurden konzeptualisiert und dann in Form von Idiomen sprachlich zum Ausdruck gebracht, wobei die motivierenden Verbindungen auf kulturelle Übereinkunft und Sprachgebrauch zurückzuführen sind. Ähnlich verhält es sich mit dem Phrasem jmdm. sind die Hände gebunden, bei dem die lexikalisierte Bedeutung ‘jmd. kann nicht so handeln, entscheiden wie er möchte, weil er durch bestimmte äußere Umstände in seiner Handlungs-, Entscheidungsfreiheit eingeengt wird’ aus der Bildkomponente der gebundenen Hände hervorgeht. Die Bildkomponente wirkt wahrscheinlich deswegen stärker in die figurative Idiombedeutung hinein, da es sich hier um ein allgemeinmenschliches Körperwissen handelt, das synchronisch weiterhin über direkte Körpererfahrung zugänglich ist. Doch auch in diesem Beispiel beruht die Beziehung zwischen Bild und lexikalisierter Bedeutung auf sprach- und kulturbedingter Konvention.

Körpergebundenes und kulturbedingtes Wissen sind nicht als Gegensatzpaar zu verstehen, sondern eher als Polaritäten auf einer Skala mit graduellen Übergängen. Ihr Anteil wird je nach direkter Relevanz der Bildkomponente graduell unterschiedlich von den Sprachteilnehmern wahrgenommen. Phraseme, deren Bildkomponente synchron im direkten Bezug zu erfahrbarem Körperwissen steht, sind zudem durch kulturelle Gebundenheit gekennzeichnet. Körperbasierte Erfahrungen sind durch kulturelles Zusammenleben in einer Gemeinschaft geprägt. Deshalb kann Körperwissen nur in Korrelation mit der umgebenden kulturellen Welt, d.h. in einem kulturspezifischen Kontext mit bereits sprachlich gefestigten Vorstellungswelten erworben werden. Beim Phrasem sich die Hände reiben -‘Schadenfreude empfinden, zeigen’ ist die kulturelle Dimension der körpergebundenen Erfahrung weiterhin nachvollziehbar. Das durch die wörtliche Interpretation der Idiom-Konstituenten evozierte Bild des sich die Hände reiben -‘Schadenfreude empfinden, zeigen’ dient auch heute noch als Ausdrucksgeste der Schadenfreude.

Bei der Mehrzahl der untersuchten Belege liegen den motivierenden Verbindungen kulturell verankerte Erfahrungen zugrunde, die zudem in den meisten Fällen körperlich geprägt sind. Vor diesem Hintergrund können mit Földes (2003 : 324) Hand-Idiome als « prototypischer Hort des „kulturelles Gedächtnisses“ einer Diskursgemeinschaft » aufgefasst werden. Fraas (2000 : 7) definiert das « kulturelle Gedächtnis » als « institutionell geformte und gestützte Erinnerung », die nicht über unmittelbare Erfahrung und Beobachtung sondern über die Vertextung dieses Erfahrungswissens weitergegeben wird :

Wenn Erinnerung nicht mehr über autorisierte Zeitgenossen funktioniert, sondern Vermittlungsmedien braucht, geht kommunikatives in kulturelles Gedächtnis über. (Fraas 2000 : 7)

Im Hinblick auf die der Motiviertheit zugrundeliegenden Wissenstypen kann angenommen werden, dass körpergebundenes Wissen in kulturbedingtes Wissen übergeht, wenn ursprünglich unmittelbare Körpererfahrungen nur noch in Form von überliefertem Wissen, also durch Sprachgebrauch, in die Köpfe der Menschen gelangt. Als Teil ihres Inhaltsplans enthalten Hand-Idiome wichtige kulturelle Wissensstrukturen wie kulturspezifische Eigenheiten, Werte, Orientierungs- und Deutungssysteme in Form von bildlichen Bedeutungskomponenten, in denen der Hand als Ausdrucksmodalität eine zentrale Funktion zukommt. Manche von ihnen sind in der Gegenwart nicht mehr geläufig. Das betrifft vor allem mit der Hand ausgeführte ritualisierte Gesten, die nur noch über den Phrasemgebrauch tradiert werden. So verweist die Bildkomponente des Idioms die Hände über dem Kopf zusammenschlagen - ‘über etw. entsetzt sein’ auf die in der Gegenwart nicht mehr bekannte Gebärde des Erschreckens. Synchronisch gesehen ist sie verblasst. Die Geste ist in Vergessenheit geraten, da sie den gängigen Deutungsmustern nicht mehr entspricht. Die ursprünglich körpergebundene Erfahrung als Zeichen des Erschreckens die Hände über den Kopf zusammenzuschlagen wurde der Sprachgemeinschaft über das In-Sprache-Setzen verfügbar gemacht und so in das kulturelles Gedächtnis dieser Gemeinschaft überführt. Mit anderen Worten, das ehemals zugrunde liegende Körperwissen wurde durch Sprachgebrauchswissen abgelöst und so in konventionalisiertes Kulturwissen überführt. Die relevanten Aspekte der Geste werden heute aus dem Phrasemgebrauch hergeleitet und nicht mehr selbst beobachtet oder erfahren.

Motiviertheit beruht auf verschiedenen Kenntnissystemen, wie Alltagswissen, Wissen über kulturelle Konventionen, historisches Wissen, Sprachwissen und Textwissen. Aus diesem Grund ist bei der Beurteilung der motivierenden Verbindungen eine gewisse Subjektivität möglich. Je nach individuellen Kenntnisstand des Sprachteilhabers kann der Grad der semantischen Motiviertheit unterschiedlich wahrgenommen werden. Dies trifft nicht nur für die diachronische Motiviertheit zu, sondern auch für die synchronische Motiviertheit, die im Mittelpunkt dieses Beitrages steht. Synchronisch eindeutig motiviert sind Idiome, bei denen die konzeptuellen Verbindungen zwischen lexikalisierter Bedeutung und zugrunde liegendem Bild unmittelbar zuzuordnen sind. Insbesondere Idiome mit Konstituenten, deren wendungsinterne Bedeutung gewisse Ähnlichkeiten mit der Bedeutung außerhalb der Wendung aufweist, zählen zu dieser Gruppe. Die Nominalkonstituente Hand in keine Hand rühren – ‘jmdm. nicht helfen, nicht beispringen, obwohl man sieht, dass er sich abmühen o. Ä. muss’ verweist auf die Funktion der Hand als Arbeits- und Greifinstrument. Schwieriger gestaltet sich die Zuordnung bei Idiomen, deren Hand-Konstituente eine phraseologisch gebundene Bedeutung hat, wie zum Beispiel jmdn., etw. in der Hand haben – ‘jmdn., etw. in der Gewalt haben’. Hier ist die motivierende Verbindung nicht sofort ersichtlich. Sie kann erst durch den Rückgriff auf sprachsymbolisches Wissen hergestellt werden.

Zur Untersuchung der konzeptuellen Verbindungen zwischen dem Konstituentenbestand und der lexikalisierten Bedeutung von Hand-Idiomen bietet die Typologie der wichtigsten semantischen Motivationsarten von Phrasemen einen interessanten Erklärungsansatz. Je nach Relevanz der bei Idiomen mit der Nominalkonstituente Hand belegten Motivationsart unterscheiden wir zwischen zwei Haupttypen, nämlich zwischen dem Typ der metaphorischen Motivation und dem Typ der metonymischen Motivation. Es ist darauf hinzuweisen, dass in vielen Fällen beide Motivationstypen gemeinsam in einem Idiom auftreten. Zudem ist es oftmals schwierig, eindeutig zwischen Metapher und Metonymie zu unterscheiden.

3.2. Metaphorisch bedingte Motiviertheit

Die metaphorisch bedingte Motiviertheit kennzeichnet den Großteil unserer Belege. Sie betrifft jene Idiome, bei denen der durch die lexikalisierte Bedeutung nominierte Bereich in einem Ähnlichkeitsverhältnis zu dem in der inneren Form enthaltenen Konzept steht. Da der in der kognitiven Metapherntheorie entwickelte Metaphernbegriff die Metapher vor allem als ein konzeptuelles Phänomen versteht, ist der Ähnlichkeitsbegriff sehr eng damit verbunden, ob und wie ein Ähnlichkeitsverhältnis wahrgenommen wird. Die Metapher ergibt sich aus der Interaktion zweier Wissensstrukturen, bei der die Wissensstrukturen des Quellbereiches auf einen Zielbereich projektiert werden. Dabei kommt es zur Übertragung des im Quellbereich in Form von Frames strukturierten Wissens auf den Zielbereich. Die metaphorisch bedingte Motiviertheit von Idiomen ergibt sich also durch das Mapping der im Quellkonzept sprachlich fixierten wörtlichen Lesart auf ein Zielkonzept, welches der lexikalisierten Lesart zugrunde liegt. Da das Zielkonzept entsprechend dem Quellkonzept strukturiert wird, finden sich die bildlichen Bedeutungskomponenten in Form von „kognitiven Spuren“ in der lexikalisierten Idiom-Bedeutung wieder. Innerhalb der metaphorischen Motiviertheit kann je nach Abstraktionsebene der motivierenden Verbindungen wiederum zwischen zwei Arten semantischer Motiviertheit unterschieden werden, nämlich zwischen der konzeptuellen Metapher und der framebasierten Metapher. Im ersten Fall sind die motivierenden Verbindungen auf einer höheren Abstraktionsebene der konzeptuellen Metapher angesiedelt. Im zweiten Fall gehören sie der Basisebene der Kategorisierung an.

3.2.1 Idiome als konzeptuelle Metaphern

Der Begriff konzeptuelle Metapher geht auf die von Lakoff und Johnson (1980) entwickelte Kognitive Metapherntheorie zurück. Grundannahme dieses Ansatzes ist, dass der Mensch abstrakte, schwer fassbare Sachverhalte mit Hilfe von konkreten Erfahrungen aus seiner unmittelbaren Umgebung strukturiert. Die Menschzentriertheit dieses Ansatzes eröffnet einen vielversprechenden theoretischen Beschreibungsrahmen für den Inhaltsplan von Hand-Phrasemen, da deren bildliche Bedeutungskomponenten durch eine starke Körperzentriertheit gekennzeichnet sind. Dank ihrer beiden Lesarten können die Idiome schmutzige Hände bekommen – ‘eine unmoralische, illegale Handlung begehen’, sich schmutzige Hände/die Hände schmutzig machen - ‘eine unmoralische, illegale Handlung begehen’, klebrige Hände haben – ‘zum Stehlen neigen’, an jmds. Händen klebt Blut – ‘jmd. ist ein Mörder’, jmdm. die Hände schmieren – ‘jmdn. bestechen’ der konzeptuellen Metapher unmoralisches, kriminelles verhalten ist schmutzig zugeordnet werden. Die lexikalisierte Bedeutung dieser Idiome entspricht dem Zielkonzept [unmoralisches, kriminelles verhalten] und das durch die Konstituenten schmutzig, klebrig, Blut und schmieren evozierte Bild dem Quellkonzept [schmutzig]. Während unmoralisches Verhalten über schmutzige Hände konzeptualisiert wird, wird Redlichkeit über saubere Hände ausgedrückt : reine Hände haben – ‘immer moralisch einwandfrei gehandelt haben’, saubere Hände haben – ‘immer moralisch einwandfrei gehandelt haben’.

Eine der wichtigsten Postulate der Kognitiven Metapherntheorie besagt, dass Metaphern nur über ihren Bezug zur Konzeptualisierung menschlicher Erfahrung verstanden werden. Menschliche Erfahrung ist hier vor allem als körpergebundene Erfahrungen zu verstehen, also als Wissen über den menschlichen Körper, dessen Funktion und motorische Steuerung. Das dem Idiom jmdm. aus der Hand fressen – ‘jmdm. so ergeben sein, dass man alles tut, was er von einem erwartet, verlangt’ zugeordnete Zielkonzept [mangel an bedeutung] wird über das durch die innere Form evozierte mentale Bild eines gebückten Körpers konzeptualisiert. Als Motivationsquelle der konzeptuellen Metapher mangel an bedeutung ist unten dient die alltägliche Grunderfahrung des Menschen im Raum. Die vertikale Ausrichtung des menschlichen Körpers macht das Gegensatzpaar oben/unten zum wesentlichen Orientierungsprinzip. Mit Hilfe des Mapping wird nun dieses Ordnungsprinzip auf das abstrakte Zielkonzept [mangel an bedeutung] überführt. Als Erfahrungsgrundlage gilt das Wissen, dass Körpergröße an physische Kraft gebunden ist und somit ein Mittel der Durchsetzungskraft ist. Ein Mangel an Macht bzw. Bedeutung wird dementsprechend als geringe Körpergröße konzeptualisiert.

Dennoch beruht unser Verständnis von Macht nicht allein auf der Bindung von Körpergröße an physische Kraft. Wie die Idiome freie Hand haben – ‘nach eigenem Ermessen handeln können’, jmdm. freie Hand lassen – ‘jmdn. selbstständig arbeiten lassen, nach eigenem Ermessen handeln lassen’ belegen, wird das Zielkonzept [macht] ebenfalls mit Hilfe des Quellkonzepts [bewegungsfreiheit] verstanden. Die konzeptuelle Metapher macht ist bewegungsfreiheit geht auf die Erkenntnis zurück, dass Handlungsfreiheit ungebundener Hände bedarf. Sind einem jedoch die Hände gefesselt, so ist diese Person in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt : jmdm. sind die Hände gebunden – ‘jmd. kann nicht so handeln, entscheiden wie er möchte, weil er durch bestimmte äußere Umstände in seiner Handlungs-, Entscheidungsfreiheit eingeengt wird’.

Da die motivierenden Verbindungen auf der übergeordneten Ebene der konzeptuellen Metapher angesiedelt sind, erfolgt die Untersuchung der Idiome auf der Ebene der lexikalisch-semantischen Felder. Daher eignet sich der Ansatz der kognitiven Metaphern vor allem zur Aufdeckung regulärer Motivationsmechanismen, die an der Entstehung von Idiomen mit gleichen oder ähnlichen Bildkomponenten beteiligt sind. Mit Hilfe von Metaphernmodellen wie macht ist oben bzw. macht ist bewegungsfreiheit sowie ihren antonymischen Ausprägungen mangel an macht ist unten bzw. mangel an macht ist fehlende bewegungsfreiheit können metaphorisch motivierte Idiome je nach Quellkonzept zu Idiom-Clustern zusammengefasst werden, die dann hinsichtlich ihrer Vernetzung im mentalen Lexikon untersucht werden können.

Der größte heuristische Nutzen der Kognitiven Metapherntheorie besteht in der Aufdeckung potenzieller Gemeinsamkeiten, die zur Bildung von Idiom-Thesauri herangezogen werden können. Dabei werden jedoch die individuellen Besonderheiten eines jeden Idioms nicht berücksichtigt. Es gehört nicht zu den Zielsetzungen der Kognitiven Metapherntheorie, die Einmaligkeit des mentalen Bildes, die Motivationsmechanismen sowie die an den Motivationsmechanismen beteiligten Wissenstypen einer jeden idiomatischen Mehrworteinheit zu beschreiben. Dafür bedarf es eines Ansatzes, bei dem die motivierenden Verbindungen auf einer konkreteren Ebene, d.h. auf der Basisebene der Kategorisierung angesiedelt sind.

Die Mehrzahl unserer Belege geben Hinweise darauf, dass die Kognitive Metapherntheorie im Bereich der Phraseologieforschung nicht ohne weiteres einsetzbar ist. Trotz starker Körperzentriertheit der bildlichen Bedeutungskomponente können nicht alle Hand-Idiome in Form von Konzeptuellen Metaphern erfasst werden. Das gilt für Phraseme wie die/seine Hand für jmdn./etw. ins Feuer legen - ‘sich für jmdn. etw. vorbehaltlos und uneingeschränkt verbürgen’, deren Bildkomponente aus einer synchronischen Perspektive verblasst ist und sich aufgrund dessen nicht schlüssig auf metaphorische Strukturen zurückführen lässt. Eine Attributsmetapher wie [unschuldsbeweis ist schmerzhaft] macht wenig Sinn. Die Motivierungsgrundlage bilden hier mittelalterliche Feuerurteile, bei denen der Angeklagte zum Beweis seiner Unschuld eine Weile seine Hand ins Feuer halten musste. Erlitt er keine Verbrennungen, so galt seine Unschuld als bewiesen. Eine Verstehbarkeit lässt sich nur noch auf der Basis von erworbenen Bildungswissen oder durch das Erlernen der lexikalisierten Bedeutung erklären.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Erstellung von Idiom-Clustern und das Aufspüren bestimmter Regularitäten der bildlichen Bedeutungskomponente im Mittelpunkt des Erklärungsapparates der Kognitiven Metapherntheorie stehen. Doch die hinsichtlich der Bildkomponenten ermittelten Regularitäten können prospektiv keine Auskunft darüber geben, auf welches Zielkonzept ein bestimmtes Quellkonzept de-facto übertragen wird. Beispiele aus unserem Korpus belegen, dass ähnliche Bildkomponenten auf zwei unterschiedliche Zielbereiche projektiert werden können. Die Idiome keine Hand rühren und auf den Händen sitzen weisen jeweils die nahezu gleiche Bildkomponente ‘Untätigkeit’ auf. Daher könnte man eine weit gehend synonyme lexikalisierte Bedeutung annehmen, was jedoch nicht der Fall ist. Gemeinsam ist beiden Idiomen der Bedeutungsaspekt ‘nicht handeln’, der einerseits im Sinne von ‘jmdm. nicht helfen, nicht beispringen, obwohl man sieht, dass er sich abmühen o. Ä. muss’ und andererseits im Sinne von ‘nicht Beifall klatschen’ sich entwickelt hat. Der Grund hierfür liegt darin, dass das mentale Bild und die lexikalisierte Bedeutung auf Gebrauchskonventionen beruhen. Die konventionelle Gebundenheit zwischen den beiden Bedeutungskomponenten ist ebenfalls der Grund dafür, dass Muttersprachler nicht auf metaphorische Metaphernmodelle zurückreifen, um motivierende Verbindungen verstehbar zu machen. Ihre Strategie besteht darin, mit Hilfe der erlernten lexikalisierten Bedeutung die bildliche Bedeutungskomponente zu erschließen (Dobrovol’skij/Piirainen 2005 : 141).

Eine weitere Unzulänglichkeit des Ansatzes besteht in der zu engen Auslegung des in der Kognitiven Metapherntheorie formulierten Ähnlichkeitsbegriffs. Der kognitiv ausgerichtete Ähnlichkeitsbegriff bezieht sich eigentlich auf erfahrungsbasierte allgemein gültige Repräsentationsschemata, was die Einbeziehung kulturbedingter Wissenstypen ermöglicht. Trotz der Möglichkeit soziales und kulturelles Erleben in den Erklärungsapparat der kognitiven Metapherntheorie einzubeziehen, bildet das individuell-körperliche Erleben fast ausschließlich die Grundlage für die Modellierung der Motivationsmechanismen in Idiomen. Doch wie die Idiome keine Hand rühren und auf den Händen sitzen gezeigt haben, sind metaphorische Idiome in erster Linie durch konventionalisierte Motivationsmechanismen gekennzeichnet. Die Analyse und Erfassung der Quellen der Motiviertheit idiomatischer Bedeutung macht daher die Hinwendung zu kulturgebundenen Wissenstypen notwendig.

Die Einbeziehung kulturgebundenen Wissens zur Erforschung relevanter Motivationsspezifika erfordert den Rückgriff auf Analyseverfahren, die die individuellen Besonderheiten der Bildkomponente jedes einzelnen Idioms in den Mittelpunkt stellen und die wesentlichen Aspekte des Zusammenspiels zwischen verschiedenen Wissensbereichen adäquat beschreiben können.

3.2.2 Idiome als framebasierte Metaphern

Der Rückgriff auf die Frametheorie ist darin begründet, dass dieses Analyseverfahren, einerseits die Einbeziehung von Wissen über kulturell verankerte Konventionen ermöglicht und andererseits die Vielfalt der an den Motivationsprozessen beteiligten Wissensstrukturen berücksichtigt. Dank der Frame-Theorie können wesentliche Aspekte des verstehensrelevanten Wissens wie implizite Elemente konzeptueller Strukturen empirisch aufgespürt werden (Busse 2008 : 12). Nach Ziem (2008 : 32) besteht die Leistung von Frames darin, „relativ stabiles Hintergrundwissen kognitiv verfügbar“ zu machen. Frames stellen sowohl kognitive Organisationseinheiten von Wissenselementen als auch einen Erklärungsapparat ebendieser Wissensstrukturen dar. Sie enthalten zahlreiche Leerstellen, die je nach Kontext und Wissensstand des Sprachteilnehmers gefüllt werden. Da viele Leerstellen bereits mit Standardwerten belegt sind, gleichen Frames standardisierten im Langzeitgedächtnis abgespeicherten Wissensstrukturen, die Verstehensprozesse steuern. Wichtig für die Erfassung der Motivationsmechanismen in Idiomen ist die Tatsache, dass diese Standardwerte konventionell geteiltes Wissen einer Sprachgemeinschaft widerspiegeln (Ziem 2008 : 210) und somit als Motivationsbasis dienen können. Möchten nun Sprachbenutzer den Beitrag der Bildkomponente zur lexikalisierten Idiombedeutung nachvollziehen, dann rufen sie aus dem mentalen Lexikon einen Frame ab, der das mit der Bildkomponente oder figurativen Bedeutung konventionell assoziierte Wissen kognitiv verfügbar macht. Mit anderen Worten, Frames „schaffen Kohärenz zwischen scheinbar Zusammenhangslosem“, indem eine Vielzahl von Standardwerten bereitgestellt werden, die potenziell verstehensrelevant werden können. (Ziem 2008 : 441ff).

Im Falle eines metaphorisch motivierten Idioms bedeutet das, dass die lexikalisierte Idiombedeutung einen Frame aufruft, dessen Standardwerte mit denen des durch das Vollbild aufgerufene Frame abgeglichen werden . Ausgehend vom Vollbild der Idiome alle Fäden in der Hand halten – ‘alles überschauen und lenken’, alle Fäden in der Hand haben - ‘alles überschauen und lenken’ und alle Fäden laufen in jmds. Hand zusammen – ‘jmd. überschaut und lenkt alles’ kann über das Frame marionettenspiel die lexikalisierte Bedeutung erschlossen werden. Das Frame marionettenspiel eröffnet die mit Standardannahmen besetzten Leerstellen marionettenspieler, gliederpuppe, mittel, mit dem puppe bewegt wird und theaterstück, auch wenn nicht alle Bestandteile für die metaphorisch bedingte Motiviertheit sinngebend sind. Die Ermittlung der Leerstellen des Frames marionettenspiel erfolgt über Fragen wie zum Beispiel : Wer spielt mit ?, Welche Aufgabe hat der Marionettenspieler ?, oder Mit welchen Mitteln wird die Puppe bewegt ?. Die für die Motiviertheit der lexikalischen Bedeutung relevanten Bedeutungselemente ‘jmdn./etw. kontrollieren’, ‘Leitung von etw. innehaben’ und ‘Macht ausüben’ sind Bestandteile dieses Frames. Die Bedeutungskomponenten entsprechen den Gebrauchsbedeutungen der Idiome wie die Gebrauchsbedeutung ‘Macht ausüben’ des Idioms alle Fäden in der Hand haben in (3) zeigt.

(3)

Guido Westerwelle contra Jürgen Möllemann: In der FDP, so eine Mehrheit der wahlberechtigten Deutschen, hält der Parteivorsitzende die Fäden in der Hand: 54 Prozent attestieren Westerwelle nach seinem ultimativen Machtwort in Sachen Karsli und dem anvisierten "Schlussstrich" in der Kontroverse mit dem Zentralrat der Juden den größeren Einfluss in der eigenen Partei. Allerdings sehen 31 Prozent der Befragten im internen Machtgefüge den FDP-Vorsitzenden nur hinter seinem Vize platziert und schreiben Möllemann mehr Macht und Einfluss zu.

Der Tagespiegel, 15.06.2002

Während beim Frame marionettenspiel spezifisches Wissen über das Marionettenspiel aktiviert werden muss, werden die motivierenden Verbindungen des Idioms die/seine Hand aufhalten – ‘für Trinkgelder, finanzielle Zuwendungen sehr empfänglich sein’ durch kulturgebundene Wissensstrukturen gesteuert. Bei dem von der Bildkomponente evozierten mentalen Bild einer nach oben geöffneten Handfläche, handelt es sich um die kulturell verankerte Aufforderungsgeste, etwas auf die Handfläche zu legen. Dabei geht es vor allem, wie die Beispiele (4-6) belegen, um finanzielle Zuwendungen.

(4)

Dabei sind die im Tunnel doch wirklich nicht die einzigen, die was von mir wollen. Unentwegt treffe ich Leute, die die Hand aufhalten. In der S-Bahn, vor Kaiser s, auf dem Alex, überall ist einer, der bettelt, singt, mir seinen mageren Hund vorführt oder ein Schild hinhält.

Berliner Zeitung, 08.01.1999

(5)

Dass einzelne Bahnmanager schon mal die Hand aufhalten, bevor sie einem Kunden einen Auftrag zuschanzen, ist bekannt. Am Dienstag hat die Staatsanwaltschaft erneut einen ehemaligen Beamten und drei Mitarbeiter von Auftragnehmern "hochgenommen". Der Ex-Einkaufsleiter soll Schmiergelder in Millionenhöhe angenommen haben.

Berliner Zeitung, 01.11.2001

(6)

So sind bei Monika Rack fünf Sechstel des Grundstücks Feld. Für landwirtschaftlich genutzte Flächen darf die BSR [Berliner Stadtreinigung hinzugefügt von C.H.L.] zwar nicht die Hand aufhalten, das wurde in den Rechnungen jedoch nicht berücksichtigt. Wie sollen wir das wissen, wo Felder sind?

Berliner Zeitung, 15.07.1994

Das mentale Bild der nach oben geöffneten Handfläche wird in (4) und (5) mit den Gebrauchsbedeutungen ‘betteln’ bzw. ‘jmdn. bestechen’ verbunden. Dagegen kann in (6) die Gebrauchsbedeutung des Idioms die/seine Hand aufhalten – ‘für Trinkgelder, finanzielle Zuwendungen sehr empfänglich sein’ mit ‘Gebühren unberechtigt in Rechnung stellen’ umschrieben werden. Das Aufspüren der Bildkomponente erfolgt in den Beispielen (4-6) mit Hilfe von zwei unterschiedlichen verstehenskonstitutiven kognitiven Prozessen : zum einen durch das Aufrufen von Frames und zum anderen durch das Abrufen von Frames. Aufgerufene Frames sind Wissensrahmen, die automatisch durch eine Wortform evoziert werden und ausschließlich Standardwerte, also konventionalisierte Wissenselemente enthalten. Abgerufene Frames sind das Ergebnis von Inferenzprozessen, wie zum Beispiel dem interpretativen Prozess der Kontextualisierung bei dem Textinformationen mit konventionalisierten Wissensstrukturen abgeglichen werden. Abgerufene Frames enthalten Leerstellen, die je nach Kontext aufgefüllt werden (Ziem 2008 : 232fff).

Das Vollbild mit der nach oben geöffneten Handfläche ruft in (4) den Frame bettler und in (5) den Frame bestechung auf. Standardannahmen des Frames bettler wären fussgängerzone, alkohol, ärmliches aussehen und hund, Standardannahmen des Frames bestechung wären straftat, geldzahlung, geschenke, manager und beamter. Da jedem Frame nur durch seine Stellung im Wissensrahmen seine bedeutungskonstitutive Funktion zugewiesen wird (Busse 2008 : 10), kommt es zusätzlich zum Aufruf des kategoriell übergeordneten Frame geld fordern. Die Leerstellen dieses Frames können dank folgender Fragen ermittelt werden : Wer verlangt Geld ? Wie und warum wird Geld verlangt ? Welches Erscheinungsbild hat der Geber/Nehmer? Welche Machtposition übt der Geber/Nehmer aus ? Gibt es eine Gegenleistung für die finanzielle Zuwendung? Besteht ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Geber und Nehmer? Die in (6) ermittelte Gebrauchsbedeutung ‘Gebühren unberechtigt in Rechnung stellen’ des Idioms die/seine Hand aufhalten ist das Ergebnis aus dem Zusammenspiel von Standardwerten des Frames geld fordern und konkreten Füllwerten aus der Textwelt, wie ‘Rechnung’, ‘Grundstücksreinigung’ und ‘BSR’. Die Bildkomponente eröffnet den Frame geld fordern mit dem sinngebenden Standardwert geldgier, der in der Gebrauchsbedeutung mitschwingt. Mit anderen Worten, die Gebrauchsbedeutung ergibt sich durch die konzeptuelle Integrierung von auf- und abgerufenen Wissensstrukturen.

Die Unterscheidung zwischen auf- und abgerufenen Frames führt zur Annahme, dass die an den Motivierungsprozessen in (4-6) beteiligten Wissenstypen unterschiedlicher Natur sind. Der Grund für diese Annahme liegt darin, dass in aufgerufenen Frames, die bildliche Bedeutungskomponente mit einer bestimmten in einer Sprachgemeinschaft gültigen lexikalisierten Idiombedeutung arbiträr assoziiert wird. In (4) und (5) beruht die Motiviertheit daher auf stark kulturgebundenem Wissen. In (4) wird eher auf Alltagswissen zurückgegriffen, d.h. auf die persönliche Erfahrung mit Bettlern in Großstädten. Dagegen handelt es sich in (5) um erlerntes Wissen, da man selber nicht unbedingt Erfahrung mit Bestechung hat. Hier wird eigene Sinneserfahrung durch konventionalisiertes Sprachwissen ersetzt. In (6) kommt neben konventionell verankertem Wissen über die ritualisierte Geste des Hand-Aufhaltens auch Textwissen zum Tragen.

3.2.3 Kinegramme als motivierende Elemente

Ein Teil der Idiome mit der körperteilbezeichnenden Konstituente Hand sind Kinegramme, die (Dobrovol’skij/Piirainen (2009 : 27) zu den Sonderfällen der metaphorisch bedingten Motiviertheit zählen. Kinegramme stützen sich auf konventionalisierte nonverbale Verhaltensweisen, wie Gesten oder Gebärden :

die Hände über dem Kopf zusammenschlagen – ‘über etw. entsetzt sein’ ;

sich die Hände reiben – ‘Schadenfreude empfinden, zeigen’ ;

in die Hände spucken – ‘ohne zu zögern und mit Schwung an die Arbeit gehen’

Als besonderes Kennzeichen von Kinegrammen gilt ihre Doppelschichtigkeit. Mit ihrer lexikalisierten Bedeutung können sie auf das in der Bildkomponente verfestigte konventionalisierte Verhalten verweisen. Die Doppelschichtigkeit führt dazu, dass nicht immer zwischen der bildlichen Bedeutungskomponente und der lexikalisierten Bedeutung unterschieden werden kann. Für Dobrovol’skij/Piirainen (2009 : 27) sind Kinegramme symptomatisch basierte Metaphern, die im als-ob-Modus verstanden werden. Die Bedeutung des Idioms die Hände über dem Kopf zusammenschlagen könnte wie folgt umschrieben werden : ‘jemand ist derartig über etwas entsetzt, dass er den Eindruck erweckt, als ob er die Hände über den Kopf zusammenschlägt’. Als Motivationsquelle dient hier das kulturgebundene Wissen über bestimmte Gebärden, auch wenn sie in der Gegenwart nicht mehr unbedingt ausgeführt werden. Das Idiom die Hände über dem Kopf zusammenschlagen – über etw. entsetzt sein’ kodiert eine Geste des Erschreckens, dessen kulturelle Dimension in der Gegenwart nicht mehr nachzuvollziehen ist. Dass diese Geste im Idiom weiterhin fortbesteht und als solche verstanden wird, ist auf das etymologische Wissen über gewisse kulturelle Konventionen zurückzuführen, denen zufolge die Geste des Hände-über-dem-Kopf-zusammenschlagen eine starke Emotion ausdrückt. Dagegen sind die Gesten des sich-die-Hände-reiben und in-die-Hände-spucken in der gegenwärtigen Sprachgemeinschaft weiterhin bekannt.

Während die metaphorisch bedingte Motiviertheit sich auf den gesamten Konstituentenbestand eines Idioms erstreckt, soll nun untersucht werden, welche relevanten konzeptuellen Verbindungen zwischen der körperteilbezeichnenden Konstituente Hand und der lexikalisierten figurativen Idiombedeutung bestehen.

3.3. Metonymisch bedingte Motiviertheit

Die metonymisch bedingte Motiviertheit betrifft jene Konstituenten Hand, die in Idiomen eine gewisse semantische Autonomie aufweisen und somit zur Bildung der lexikalisierten Gesamtbedeutung beitragen. Als Beispiel dafür kann die Konstituente Hand mit der phraseologisch gebundenen Bedeutung ‘Macht’ in den Idiomen jmdn., etw. in der Hand haben – ‘jmdn., etw. in der Gewalt haben’, die Hand/Hände nach jmdm./etw. ausstrecken – ‘jmdn. etw. in seinen Besitz, in seine Gewalt bringen wollen’ und jmdm. in die Hände fallen - ‘1. in jmds. Gewalt, Besitz kommen 2. in jmds. Gewalt geraten’ angeführt werden. Im Hinblick auf die sequenzielle Verarbeitung von Idiomen steht zu vermuten, dass der Konstituente Hand die Funktion eines Schlüsselwortes zukommt, welches die Verarbeitung der figurativen Bedeutung auslöst.

Ähnlich wie die Metapher wird hier die Metonymie primär als ein konzeptuelles Phänomen verstanden. Doch im Gegensatz zur Metapher, bei der grundsätzlich immer ein Ähnlichkeitsverhältnis zwischen Quell –und Zielkonzept vorliegt, definiert sich die Metonymie über ein Kontiguitätsverhältnis zwischen Quell –und Zielkonzept. Dabei ist Kontiguität als konzeptualisierte Kontiguität zu verstehen. Oder anders ausgedrückt : zwischen zwei Konzepten besteht Kontiguität, sobald Kontiguität gesehen wird : « […] contiguity cannot be based on any form of objective or ‘natural’ contiguity. This has the far-reaching implication that contiguity must be taken to mean ‘conceptual contiguity’ and that we can have contiguity when we ‘see’ contiguity between domains. » (Dirven 2002 : 90-91)

Um den Anteil der Konstituente Hand an der lexikalisierten Idiombedeutung zu erfassen, ist es notwendig, das dem Quellkonzept Hand zugrunde liegende gleichnamige Frame näher zu bestimmen.

Frames stellen konzeptuelle Wissensstrukturen dar, in denen verschiedenste Wissenstypen gespeichert sind und beim Sprachverstehen abgerufen werden. Wie alle Frames besteht das Frame hand aus Leerstellen, von denen einige mit Standardwerten belegt sind. Innerhalb eines Sprach- und Kulturkreises sind Standardwerte recht stabil, da sie auf Konventionen beruhen und zum geteilten Wissen einer Sprachgemeinschaft gehören. Laut Konerding (1993 : 354-359) lassen sich die Leerstellen eines Frames in Form von Fragen ermitteln. Für das Frame hand wären folgende Fragen denkbar : Welche Organismen haben Hände ?, Wovon bildet die Hand einen Teil ?, Aus welchen Bestandteilen besteht die Hand selbst ? Welche besonderen Eigenschaften haben Hände ? In welchen menschlichen Handlungen hat die Hand eine wichtige Bedeutung ? Welche Funktionen werden der Hand zugeschrieben ? Das Verfahren zur Ermittlung der Leerstellen stützt sich im Wesentlichen auf die Hyperonymtypenreduktion (Konerding 1993 : 173f). Dank dieses Verfahrens kann Hand auf das höchste Hyperonym Teil zurückgeführt werden, aus dem sich dann die relevanten Leerstellen herleiten lassen. Wichtige Informationen auf mögliche Standardwerte, die die ermittelten Leerstellen füllen können, liefert die Bedeutungserklärung von Hand im DUDEN-Universalwörterbuch. Dementsprechend enthält das Frame hand Standardwerte wie mensch, affe, arm, finger, rechte hand, linke hand, halten, greifen. Die Bedeutung von Hand wird ähnlich der Bedeutung von Finger über den Tastsinn definiert. Etwas in der Hand halten oder etwas mit der Hand greifen setzt eine Berührung mit dem Gegenstand voraus. Die Standardwerte von hand beziehen sich im Wesentlichen auf drei Aspekte : auf perzeptuell-materiale Eigenschaften wie Größe und Bestandteile von Händen, auf motorisch-funktionale Eigenschaften, wie Tätigkeiten, die von Händen ausgeführt werden und auf propriozeptive Eigenschaften, wie feuchte oder kalte Hände.

Da sprachliche Einheiten beim Sprachbenutzer grundsätzlich Frames samt Standardwerten aufrufen, kann man aufgrund der sequenziellen Verarbeitung der Idiome vermuten, dass in bestimmten Fällen Idiomkonstituenten ebenfalls Frames mit Standardwerten evozieren. Dies trifft insbesondere auf jene Idiomkonstituenten zu, die als Schlüsselwörter, die figurative Bedeutung des Idioms markieren und somit ihren direkten Abruf auslösen. Konstituenten wie Hand haben in diesen Fällen eine Art Brückenfunktion zwischen ihrer bildlichen Bedeutungskomponente und der figurativen Idiombedeutung.

Im Hinblick auf die Art des Kontiguitätsverhältnisses zwischen Quell- und Zielkonzept ist eine nähere Untersuchung der Beteiligung der Standardwerte des Frame hand am Zustandekommen der Gesamtbedeutung erforderlich. Die Belege unseres Korpus bestätigen die Ergebnisse der Einzeluntersuchung zur Konstituente Hand in Phrasemen des Amerikanischen (Kövecses/Szabó 1996 : 337). In Übereinstimmung mit dem Amerikanischen steht in Idiomen des Deutschen die Konstituente Hand meist als Metonymie für Aktivitäten mit Händen oder für Kontrolle, die mit Händen ausgeführt wird, indem ein Gegenstand entweder festgehalten oder nach ihm gegriffen wird. Daraus lassen sich folgende konzeptuelle Metonymien ableiten :

hand steht für greiforgan

etw. bei der Hand haben - ‘etw. greifbar, zur Verfügung haben’ ;

etw. zur Hand nehmen – ‘etw. ergreifen’.

hand steht für tätigkeit, arbeit, mitwirkung, mitarbeit

mit Hand anlegen - ‘mithelfen’ ;

selbst Hand anlegen – ‘selbst etwas tun’ ;

jmdm. zur Hand gehen –‘jmdm. bei einer Arbeit durch Handreichungen helfen’ ;

von seiner Hände Arbeit leben – ‘sich seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit [mühsam] verdienen’ ;

etw. unter den Händen haben – ‘etw. in Arbeit haben, mit etw. für längere Zeit beschäftigt sein’.

hand steht für versorgung, betreuung

in gute Hände kommen – ‘jmdm. anvertraut werden, der gut für die betreffende Person oder Sache sorgt’ ;

in sicheren Händen sein – ‘in sicherer Obhut, guter Betreuung sein’ ;

in schlechten Händen liegen – ‘schlecht versorgt sein’.

hand steht für besitz

etw. in der Hand haben – ‘etw. haben, worauf man sich berufen kann’ ;

in festen Händen sein – ‘unverkäuflich sein’ ;

in jmds. Hand/Hände übergehen – ‘in jmds. Besitz übergehen’.

hand steht für macht, kontrolle

jmdn., etw. in der Hand haben – ‘jmdn., etw. in der Gewalt haben’;

die Hand/Hände nach jmdm./etw. ausstrecken – ‘jmdn. etw. in seinen Besitz, in seine Gewalt bringen wollen’ ;

jmdm. in die Hände fallen - ‘1. in jmds. Gewalt, Besitz kommen 2. in jmds. Gewalt geraten’ ;

sich in der Hand haben – ‘sich unter Kontrolle haben, sich beherrschen können’ ;

jmdm. gleiten die Fäden aus der Hand – ‘jmd. verliert die Kontrolle’.

hand steht für person

jmds. rechte Hand – ‘jmds. Vertrauter und wichtigster Mitarbeiter’ ;

die Hand wechseln – ‘in anderen Besitz übergehen’ ;

um jmds. Hand anhalten – ‘jmdm. einen Heiratsantrag machen’.

Die Mehrzahl der für Hand relevanten Metonymien zeigt die enge Beziehung zwischen dem Quellkonzept hand und den Standardwerten des Frames hand. Die Hand als Greif- bzw. Arbeitsinstrument spielt auf die motorisch-funktionale Eigenschaft dieses Körperteils an. Zu dieser Gruppe gehören die Metonymien hand steht für greiforgan ; hand steht für tätigkeit, arbeit, mitwirkung, mitarbeit und hand steht für versorgung, betreuung. Die Metonymie hand steht für besitz beruht ebenfalls auf der funktionalen Eigenschaft der Hand als Greiforgan. Ihr liegt die konkrete Körper(teil)erfahrung zugrunde, dass man mit Hilfe der Hände in den Besitz eines bestimmten Gegenstandes gelangen kann. Die Hand ist hier das Mittel zum Zweck. Ähnlich verhält es sich bei der Metonymie hand steht für kontrolle, bei die Funktion des Festhaltens und des Ergreifens auf das Zielkonzept [kontrolle] verweist. Bei der Metonymie hand steht für person liegt ein Teil-Ganzes-Verhältnis vor. Diese konzeptuelle Metonymie kann als Basismetonymie für eine Reihe anderer Metonymien angesehen werden. So kann zum Beispiel die Metonymie hand steht für versorgung, betreuung und die Phraseme in festen Händen sein – ‘unverkäuflich sein’ sowie in jmds. Hand/Hände übergehen – ‘in jmds. Besitz übergehen’ der Metonymie hand steht für besitz ebenfalls auf die Metonymie hand steht für person zurückgeführt werden.

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Notes

1 In Dobrovol’skij/Piirainen (2009 : 18) wird der Terminus Motivation als Quasisynonym für Motiviertheit verwendet. Retour au texte

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Référence électronique

Claudia Hegedüs-Lambert, « Verfestigte Körpermetaphern und -metonymien in Idiomen mit der Nominalkonstituente Hand », Textes et contextes [En ligne], 5 | 2010, publié le 21 novembre 2017 et consulté le 24 novembre 2024. Droits d'auteur : Licence CC BY 4.0. URL : http://preo.u-bourgogne.fr/textesetcontextes/index.php?id=233

Auteur

Claudia Hegedüs-Lambert

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